Wallersee Drucken
09wallersee Die Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen und zur Gefährdung, war als Ergebnis der Beurteilung des zuständigen Regierungspräsidiums zu lesen und damit scheint das erst einmal das letzte Wort zu sein. Es drohen viele Jahre des Vergessens. Mal wieder. Die bewegte Geschichte des Wallersees reicht bereits viele Jahrzehnte zurück und hatte seine Höhepunkte mit starkem Aufschrei auch in den Medien.

 

Die meiste Zeit jedoch schlummerten nicht nur die giftigen Abfälle auf dem Grund des Sees, und so verlor das ganze Thema stark an Aufmerksamkeit.Hat sich ein übertrieben hysterischer Aufschrei einfach nur wieder gelegt gehabt, oder wurde erfolgreich totgeschwiegen? Muss der Wallersee nun für die politische Opposition als Daseinsberechtigung wie ein Kaninchen aus dem Hut herhalten oder ist die mögliche Gefahr latent?Viele sind betroffenDen Wegfall der Rentenberatungsstelle beklagen die künftigen Rentner, zu wenig Kinderbetreuungsplätze die Eltern. Doch wer ist eigentlich vom Wallersee betroffen? Im Falle des Untätigbleibens und einem Unglücksfall potentiell alle Rodgauer. Sollten teure Maßnahmen zur Sanierung ergriffen werden, würden natürlich mittelbar alle Rodgauer Bürger zur Kasse gebeten werden.Und als wären diese Möglichkeiten nicht bereits Dilemma genug, schaden Unsicherheit und Gerüchte auch vielen anderen Rodgauern. Besonders zu nennen sind hier die Eigentümer von Häusern auf Grundstücken angrenzend der ehemaligen Mülldeponie, deren Traum vom eigenen Zuhause und finanzielle Situation vom Wert ihres Grundstücks abhängt. Ein Haus direkt an einer anerkannten Altlast und die Gefahr giftiger Gase im Keller machen das Eigenheim fast unverkäuflich. Ebenso die Angler, die am Wallersee ihrem Hobby nachgehen und tolle Feste feiern. Vergiftete Fische im See oder eine andere Gefahr wären hier das Ende des idyllischen Gebietes.Absolut verständlich, dass die Betroffenen hier Angst vor einem für sie negativen Befund haben und versuchen, das Thema ganz schnell wieder aus dem Bewusstsein zu vertreiben. Ähnlich motiviert ist auch die Politik, denn so oder so steht Wählersympathie auf dem Spiel.

Die Stadt dürfte sich zurückhalten aus Angst, dass bei zu lautem Schreien doch ein „dann macht es doch mit eigenen Mitteln!“ von Kreis oder Regierungspräsidium zurückkommt.STOP! FALSCH! Mit der konstanten Unsicherheit zu leben kann keine Lösung sein, für niemanden. Und ganz besonders darf das nicht für die Politik gelten. Doch in Rodgau herrscht in der regierenden Koalition Einheitsbrei. Vier unterschiedliche poltische Aus-richtungen müssen dem einheitlichen Auftreten willens unter einen Hut gebracht werden, oftmals geht dabei die ureigenste Marschrichtung und die grundlegenden Prinzipien verloren. Bei den Nachforschungen zur bewegten Geschichte des Wallersees stechen besonders die Grünen heraus. Mit deutlichen und offensiven Aktionen, Pressemitteilungen und Initiativen vertraten die natur- und umweltbedachten Politiker zum Wallersee eine deutliche Position. Sie legten sich mit dem damaligen Bürgermeister Paul Scherer an, beauftragten eigenständig Gutachten und ketteten sich symbolisch vor dem betroffenen Gelände am Wallersee fest - sie traten noch für ihre Überzeugung ein. Heute dominiert in Rodgau die Vierer-Kooperation und da liegt die Befürchtung nahe, dass so manche extreme Position und manch kritischer Gedanke, egal aus welcher politischen Richtung er kommen mag, unter den Tisch fällt, um seinen Bündnispartnern nicht in den Rücken zu fallen.Umfassende Information und offener DialogIm Bewusstsein, wie sensibel ein solches Thema ist und wie viele unterschiedliche Interessen, Ansichten und Positionen es geben mag, muss aber zumindest die Forderung nach detaillierten Informationen, einer ehrlichen Gefahreneinschätzung und einer offenen Auseinandersetzung aller Rodgauer Bürger mit dem Thema erlaubt sein. Vieles ist nicht endgültig geklärt, weder was die genauen Müllablagerungen angeht, noch welche Auswirkungen das haben kann.Wie groß ist die Gefahr nun tatsächlich?

Bisherige Messungen ergaben potentiell hochexplosive Konzentrationen an Methangas, aber die genaue Menge dieser Gase ist nicht bekannt. Ebenso wenig, wie lange mit ihnen zu rechnen sein wird, oder wie man sie vielleicht sogar nutzen kann. Im Gespräch war bisher lediglich eine Drainage, um diese Gase abzuleiten.Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollte die Möglichkeit, dass bereits intensiv und bestmöglich an dem Problem gearbeitet wird. Doch auch, oder besonders in diesem Fall, hat die Bevölkerung ein Recht, das zu wissen. Mal vom positiven Effekt auf die Wählergunst ganz zu schweigen.Keine leichte AufgabeDie Aufgabe ist mit Sicherheit eine echte Herausforderung. Politischer Druck, enorme Kosten und auf der anderen Seite eine lediglich potentielle Gefahr, die sich aber bereits in den vergangenen Jahrzehnten nicht realisiert hat. Natürlich muss die Stadt sparen, und auch Kreis und Land sind knapp bei Kasse. Doch rechtfertigt nicht bereits auch nur die Möglichkeit einer Gefahr für Rodgauer Bürgerinnen und Bürger durch Verletzungen oder Schadstoffe in Luft oder Trinkwasser eine ernsthafte und offene Auseinandersetzung mit dem Thema?Mag die Gefahr auch noch so klein sein, die Geschichte lehrt uns regelmäßig, dass unterschätzte Gefahren öfter in einem Drama enden, als bekannte und ernstgenommene Gefahrenquellen. Das absolut notwendige Mindestmaß ist die Einbindung der Bürger und der offene Umgang mit dem Problem, denn wir Rodgauer sind in jedem Fall betroffen, beim jetzigen Status, bei zu ergreifenden Maßnahmen, und auch bei einem hoffentlich ausbleibenden Unglücksfall.

Einige der aktuellen Parlamentarier sind mit dem Versprechen angetreten, sich um die Bewältigung der Altlasten zu kümmern, und das steht mitunter immer noch auf ihren Profilen im Internet. Eine einfache Patentlösung hat auch Zusammen mit Bürgern nicht parat, aber die Bereitschaft, gemeinsam mit allen Parteien und Bürgern nach einer akzeptablen Lösung für alle Betroffenen zu suchen.Selbst nach aufwendigen und umfangreichen Fachanalysen sind immer noch einige Fragen offen.Und wer weiß, vielleicht würden sich sogar Gönner, Sponsoren oder lokale Unternehmen finden, mit denen sich die Kosten für weitere Informationen oder Maßnahmen auf ein erträgliches Niveau bringen lassen? Immerhin wird mit den betroffenen Grundbesitzern das Gespräch und nach einer Lösung gesucht. Auch eine Ausbreitung des betroffenen Grundwassers bis zum Wasserwerk Froschhausen oder einem Grundwasserbrunnen sei einem Gutachten zufolge derzeit nicht zu befürchten. Also doch alles überhaupt nicht der Rede wert?

Text/Foto: Petrat